Giro delle Dolomiti 2021 – das Radrennen in den Dolomiten

6 Etappenrennen in den Dolomiten. Das klang erstmal ziemlich unschaffbar und nach einer absolut absurden Idee. Dann auch noch im Rennrad Mekka schlechthin: Südtirol. Nicht gerade bekannt für seine sanften Hügel und milden Temperaturen im Sommer, sondern eher für die ganz krassen Pässe und Hitzeschlachten. Bei der Anmeldung habe ich zwar die Distanzdaten aus dem Augenwinkel wahrgenommen (sowas wie 600 km, 12.000 Höhenmeter in 6 Etappen), aber mir lieber nicht vergegenwärtigt, was das tatsächlich an Leistung für mich heißt. Eigentlich schon für 2020 geplant, aber durch Corona auf 2021 verschoben, war es dann dieses Jahr soweit. Das Jahresziel hieß Giro delle Dolomiti im Juli.

Die Vorbereitung begann bereits im Winter. Erstes Problem: Wie bereitet man sich auf etwas vor, von dem man eigentlich denkt, dass es unmöglich ist? Leider sind Trainingspläne nicht so wirklich mein Ding. Daher hab ich mich mehr an sagen wir mal eine grobe Routine gehalten. Mindestens 4 Zwift Rides die Woche für mindestens eine Stunde. Zusätzlich noch das erste mal in meinem Leben HIIT (High Intensity Training) zum Aufbau von Bein und Core-Muskeln. Bekommt man nämlich nicht wirklich nur vom Radfahren.

Als es dann endlich Zeit war so richtig draußen zu fahren, war vor allem eins angesagt: ziemlich viel Regen! Dazu ein Lockdown nach dem nächsten. Sagen wir mal, meine Motivation war nicht die Größte. Das ganze fühlte sich ein bisschen so an, wie vor einer großen Prüfung an der Schule. Man will eigentlich lernen, man weiß man muss, aber man kann irgendwie nicht. Und die Prüfung rückt immer näher. Und je näher sie rückt, desto weniger lernt man. So war es dann auch beim Giro delle Dolimiti. Plötzlich hieß es: auf nach Bozen. Und ich gefühlt ganz weit weg von irgendeiner Form.

Was genau ist denn jetzt dieser Giro delle Dolomiti? 

Der Giro delle Dolomiti ist ein 6 Etappenrennen über 7 Tage, wobei ein Ruhetag in der Mitte liegt. Es wird in einem großen Peloton auf gesperrten Straßen gefahren. Dabei wird nicht jede Etappe komplett gewertet wird, sondern nur einzelne gezeiteten Stücke, die ausnahmlos bergauf gehen. Daher ist auf diesen Stücken dann auch das Peloton sozusagen aufgehoben und jeder fährt so schnell er kann. Grob gesagt also ein Bergfahrer-Rennen (gut, dass ich groß und schwer bin 😛 ). Wer alle Etappen mitfährt, kommt in die Gesamtwertung. Es gibt aber auch die Möglichkeit nur einzelne Tage mitzufahren. Meldet man sich für die gesamte Tour an, hat man jeden Tag die Chance, sich in der Gesamtwertung zu verbessern. Eine Art Mini Profi-Rennen für Jedermann/frau.

Mit Startnummern ausgestattet ging es dann los. Mit rund 300 Fahrern (durch Corona eine stark reduzierte Teilnehmerzahl) rollten wir die ersten Berge hinauf. Am ersten Tag lag Nervösität in der Luft. Jeder wollte zeigen was er kann. Das Feld flog quasi die erste Zeitnahme hinauf. Für mich ging es eher darum, nicht vom Besenwagen eingesammelt zu werden. Zum Glück waren die Steigungen moderat und schaffbar und man kam mit diversen Mitfahrern ins Gespräch. Zwischendurch gab es immer wieder Pausen, wo die Schnellen auf die Langsamen warten mussten (was ihnen mit Obst, Wasser, Brühe und allerlei Kuchen und Kekse versüßt wurde). Danach fuhr das Peloton wieder gemeinsam als große Gruppe weiter.

Das Peloton des Giro delle Dolomiti

Die ersten Tage war ich von diesem Peloton extrem angenervt, vor allem auf den Bergab Stücken. Viele Fahrer machten nicht den Eindruck, als seien sie schon oft in der Gruppe gefahren. Durch konstantes, unkontrolliertes Bremsen und mitunter durchaus amüsanten Manövern, musste man stets wachsam sein, dass man sich nicht über seine/n Vordermann/frau legte. Bei 40km bergab (ja so hoch sind die Berge in den Dolomiten nunmal) konnte das auf die Dauer echt anstrengend und frustrierend sein. Vor allem in Kurven. Das Fahrerfeld war zusätzlich durch, sagen wir mal, Mittelalte RSV Fahrer geprägt. Diese hatten immer einen “lustigen” Spruch auf den Lippen. Besonders gern wurden diese Sprüche gegnüber den weiblichen Teilnehmern geäußert. Auch hier musste ich den einen oder anderen Herren verbal mal in seine Schranken verweisen. 

Hatte man sich aber erstmal an diese Umstände gewöhnt (und überzeugend dargelegt, dass kein versteckter Elektromotor mein Fahrrad betrieb), entschädigte die atemberaubende Landschaft im Großen Maße. Auch war der Umstand, dass die Straßen komplett für den Verkehr gesperrt waren, einfach eine unglaubliche Erfahrung. Durch die gleiche Motorrad-Truppe abgesichert (Achtung jetzt wirds cool), die auch den Giro d’Italia betreut, standen an jeder Kreuzung Sperren, die den regulären Verkehr aufhielten. Dadurch fühlte man sich über weite Strecken wie ein echter Profi. Die Geduld vor allem der italienischen Autofahrer, die bei 300 Leuten, die sich bergauf im Schneckentempo auf der Gegenfahrbahn an ihnen vorbeiquälen, kein genervtes Gesicht zogen, sondern im Gegenteil, noch ein Forza hinterherriefen, war faszinierend. 

Giro delle Dolomiti Besenwagen
Kurz noch dem Besenwagen davonfahren

Königsetappe

Giro delle Dolomiti Königsetappe Sella Ronda
Königsetappe Sella Ronda

Etappe 4 war dann die Königsetappe. 160 km 3.300 Höhenmeter, von Bozen einmal die Sella Ronda. Dies war die Etappe, bei der ich mir im Vorfeld unsicher war, ob ich diese nicht einfach aussetzen sollte. Doch einmal im “Rennmodus”, entwickelt man ja leider doch irgendwie einen gewissen Ehrgeiz. Ebenso scheinbar ungeahnte Kräfte. So ging es um 7 Uhr morgens an den Start. Erstaunlicherweise hatte sich an diesem Tag das Peloton so langsam im Griff und es war deutlich weniger Voraussicht nötig, als die Tage zuvor. Zusätzlich waren die meisten Abfahrten freigegeben, was uns einen grandiosen Tag im Sattel bescherte. Der Besenwagen kam mir zwar hin und wieder gefährlich nahe (bereits durch einige Teilnehmer besetzt), jedoch konnte ich ein Einsammeln immer wieder durch beherztes in die Pedale-Treten verhindern. Und so schaffte ich es irgendwie die meisten Höhenmeter an einem Tag zu fahren, die ich jemals mit dem Rennrad geschafft hatte. Was für ein Gefühl!

Team-Zeitfahren

Am letzten Tag (Etappe 6) dann das nächste First: Team-Zeitfahren. 16 km Vollgas durch die Bozener Hochebene. Die Zeitfahr-Teams bestehen aus mindestens 4, maximal 5 Teilnehmern, von denen 4 ins Ziel kommen müssen. Dabei wird die Zeit vom letzten Teilnehmer genommen, der die Ziellinie überwindet. Es gibt eine Wertung für Männer und Frauen Teams, sowie für Mixed Teams, in denen mindestens eine Frau mitfahren muss. Wir gingen als einziges Mixed Team gleich mit zwei Frauen (zu viert) an den Start. Die Teams starten jeweils mit 30 Sekunden Abstand, Start und Ziel liegen nebeneinander.

Wir waren Team Nummer 7 am Start und hatten uns natürlich in langwierigen Diskussionen eine Strategie zurecht gelegt. Der langsamste bleibt die ganze Zeit hinten (ja ok, das war ich). Die Schnellen wechseln vorne durch. Plötzlich ertönte schon der Startschuss und wir rasten los. Noch nie in meinem Leben bin ich so an mein Limit gegangen, vor allem nachdem schon eine ganze Woche Extrem-Bergfahren hinter mir lag. Trotzdem schafften wir es drei der vor uns fahrenden Teams (zwei Mixed ein Frauen Team) zu überholen! Und konnten es am Ende nicht glauben: Platz 3 in der Mixed Wertung! Was für ein Erfolg!

Giro delle Dolomiti Zeitfahren
In Wettkampfmodus – Zeitfahren während Etappe 6

Mein Fazit:

Der Giro delle Dolomiti ist eine sehr nette Ausfahrt, die in den gezeiteten Teilen körperliche Grenzerfahrungen bereit hält. Das Leistungsniveau der Teilnehmer ist bunt gemischt jedoch ambitioniert. Die Verpflegung ist top, das Tempo machbar, das Teilnehmerfeld könnte sich gern etwas verjüngen. Würde ich nochmal mitfahren? Lass mal nächstes Jahr nochmal sprechen.

Anton hat über das ganze schon 2019 berichtet, hier geht’s zu seinem Bericht.