Bikepacking durch die Steiermark

Antons Heimat ist Graz. Da war es nur eine Frage der Zeit bis wir einmal Bikepacking durch die Steiermark machen würden. Um von österreichischen Bundesstraßen weitgehend unabhängig sein zu können, hab ich das ganze als Gravel-Abenteuer geplant. Mit den 32 mm Reifen meines Cannondale Synapse in 3 Tagen gut machbar. 

Tag 1, 174 km, 2300 Höhenmeter

Meine große Leidenschaft ist ja das Routenplanen. Und hier hatte ich mir extra viel Mühe gegeben, die perfekte Strecke zu finden. Aus Graz ging es los vorbei am malerischen Frohnleiten Richtung Grüner See. Dieser wurde in den letzten Jahren mehrfach zum schönsten See Österreichs gewählt und ich wollte einfach unbedingt einmal hin, obwohl die asphaltierte Straße eine Sackgasse ist.

Am See angekommen mussten wir ein bisschen Slalom um die ganzen Tagestouristen fahren, ist wohl an jedem Instagram Hotspot so. Am See direkt kommt man mit dem Rad leider nicht weit (also mit einem MTB vielleicht schon). So ging es kurzerhand ein Stück zu Fuß weiter. Nachdem wir uns davon überzeugt hatten, dass die Farbe des Sees tatsächlich Smaragdgrün ist, begann das eigentliche Abenteuer. Statt den ganzen Weg zurück auf asphaltierten Straßen zu folgen, bogen wir ab auf eine, sagen wir mal, abenteuerlichere Forststraße. 

Mit viel Steinen und Löchern gespickt ging es dann 4,4 km über 400 Höhenmetern und einer durchschnittlichen Steigung von 9 % den Berg hinauf. Da am höchsten Punkt der Straße auch eine Art Alm war, wurden wir dabei erstaunlich oft von Autos überholt. Auch die hatten einige Probleme, die Straße hochzukommen. Und ich war das erste Mal schneller als Anton, der ja schließlich die 10 kg Gepäck noch extra rechts und links in Taschen tragen wollte, damit er nicht so viel auf mich warten muss (…).

Oben angekommen, könnte man ja denken, lag das Schlimmste hinter uns. War aber nicht so. Auf dem doch recht steilen bergab Pfad, machte meine geplante Route plötzlich einen scharfen rechts Knick und wir landeten auf einem Mountainbike Trail. Na herzlichen Glückwunsch. Leider gab es keine andere Möglichkeit, wollten wir die geplanten 170 km  tatsächlich noch schaffen. Ich werd das Bild nie vergessen, Anton rechts und links mit den dicken Taschen bepackt, auf dem Trail durch die Pfützen. Gut, dass er nicht nachtragend ist. Irgendwann erreichten wir zum Glück wieder Asphalt, was in Österreich ungünstigerweise auch immer wieder Bundesstraße heißt. 

Erzberg

So ging es, soweit möglich auch auf Gravel Nebenstraßen in direkter Nachbarschaft zur Bundesstraße, zum nächstem Highlight des Tages: der Erzberg. Seit dem 11. Jahrhundert wird am Erzberg Eisenerz abgebaut. Dies hat eine beeindruckende Landschaft hinterlassen, die mit Worten eigentlich kaum zu beschreiben ist. Man kann hier auch mit 890 PS starken Mega Fahrzeugen Touren über den Erzberg machen, hatten wir natürlich keine Zeit für. Vom Bundesstraßen Parkplatz hatte man auch einen beeindruckenden Blick auf den Berg, der gefühlt Stufe um Stufe abgetragen wird. Nach kurzer Staun-Pause konnten wir es von dort dann einfach laufen lassen und durch das recht deprimierend wirkende Dörfchen, you might have guessed it, Eisenerz sausen. 

Gesäuse

Immer weiter ging es Richtung Gesäuse. Der Name muss wohl vom unzähligen Wasser herstammen, das bei dieser Gebirgskette rechts und links die Berge runterfließt. Leider dann auch irgendwann direkt vertikal auf uns, da es angefangen hatte stark zu regnen. Hier wurde die Landschaft dann so richtig malerisch. Besonders schön war das Ganze, da sich durch den Regen auf die heißen Straßen mystische Wolken gebildet hatten. Diese gaben der Landschaft etwas Magisches wie aus einer Folge von Prinzessin Fantaghiro (noch jemand so alt wie ich? :P).

Gesäuse
Prinzessin Fantaghiro, wo bist du?

Angenehm ging es durch die verzauberte Welt Richtung Admont. Dann das Aha-Erlebnis. Ich hatte unsere Unterkunft für den Abend in einem malerischen Schloss gebucht (also eine Jugendherberge in einem malerischen Schloss). Was ich nicht bedacht hatte war, das hieß auch nach 170 km und 2100 Höhenmetern nochmal 200 Höhenmeter mit 9% Steigung ganz zum Schluss den Berg hinauf. Da wir auch erst im Tal etwas essen mussten, das Ganze dann auch noch in der Dunkelheit. Zu diesem Zeitpunkt zweifelte Anton dann tatsächlich das erste Mal meine planerischen Fähigkeiten an. Wahrscheinlich zu Recht. 

Belohnt wurde das ganze aber am nächsten Morgen, als wir einen ersten Ausblick durchs Fenster aus unserem Schlosszimmer erhaschen konnten. Vor uns ergoss sich quasi die Landschaft, ein einmaliger Blick auf Admont und ins Gebirge, gemixt mit den immer noch rum wabernden Feuchtigkeitswolken. Ein Postkarten-Bild. Bikepacking durch die Steiermark, kann man machen. Wir waren bereit für Tag 2.

Tag 2, 103 km, 1000 Höhenmeter

Die Route begann relativ flach auf dem Ennsradweg Richtung Grimming. Der Grimming ist ein isoliert stehender massiver Berg, der von jeder Seite durchweg faszinierend ist. Als es wieder zu regnen begann, legten wir in Bad Mitterndorf den ersten Stopp ein. Kurz danach beginnt das Salzkammergut, in dem sich ein See nach dem anderen reiht. Erstes Highlight war auf jeden Fall der Grundlsee, der Lago di Como in nichts nachsteht. Den geplanten Schlenker zum Toplitzsee (in dem der Spiegel mal die Tagebücher Hitlers vermutet hatte), musste leider wegen der ausgedehnten Regenpause ausfallen. Weiter ging es Richtung Bad Aussee. 

Bad Aussee

Österreicher haben ja manchmal einen etwas zweifelhaften Geschmack, was ihre Häuser angeht, die gerne mal in neongrün oder lila daherkommen. Nicht so in der Region um Bad Aussee. Wie aus einem Bilderbuch reihen sich hier restauriertes Holzhäuschen an Holzhäuschen. Zwischenzeitlich kann man die Perfektion auch mal nicht fassen. Nicht umsonst ist dies der Lieblingsurlaubsort der reichen Wiener und Salzburger. Durch Alt Aussee mit kurzem Halt am Alt Ausseer See ging es dann am Loser vorbei Richtung Blaa Alm. Bedauerlicherweise hatten wir keine Zeit zur Einkehr, aber von anderen Besuchen kann ich sagen, Einkehr lohnt sich durchaus. 

Und dann der Super-GAU. Das letzte Stück der Route nach Bad Ischl sollte uns durch eine Schlucht führen (Gravel pur). Jedoch prangte vor dem Eingang ein großes Stop Schild. „Lebensgefahr.“ Ungünstig. Umdrehen hätte einen Umweg von ca. 50 km auf Bundesstraßen bedeutet, über den Pötschenpass. Körperlich für mich an dem Tag einfach nicht mehr drin. Viel Tageslicht war auch nicht mehr übrig. Was also tun? 

Blieb nur: Augen zu und durch. Was dann kam, war wohl die schönste und beeindruckendste Mountainbike Strecke, die ich je gesehen habe. Leider lagen tatsächlich überall Felsbrocken herum, was das mulmige Gefühl nach “durchbrechen” der Absperrung nur verstärkte. Dazu kam, dass die Strecke mit meinem Synapse und den 32 mm schon sehr abenteuerlich war, also für mich jetzt. Also war ich die nächsten Minuten damit beschäftigt, um mein Leben zu bangen. Ich bezweifel, dass ich mein Rad schonmal schneller durch eine Gravel-Passage manövriert habe. Es blieb noch nicht mal Zeit für ein Foto (und das sollte das Ausmaß doch deutlich machen). Als wir endlich die andere Seite der Schlucht erreichten, war das eine riesen Erleichterung. Alles gut gegangen.

Bad Ischl

Nach dieser ganzen Aufregung rollten wir durch wunderbare Almlandschaften direkt auf Bad Ischl zu. Bad Ischl ist alte Kaisergrandezza. Fehlt wahrscheinlich auf keiner chinesischen Österreich-Tour. Nur so kann ich mir erklären, warum in Bad Ischl ein Automat steht, in dem Hallstätter Luft verkauft wird. Eine Flasche mit Luft. Echt.

Tag 3, 118 km, 1050 Höhenmeter

Der dritte Tag stand dann ganz im Zeichen des Salzkammerguts und sollte uns bis nach Hause an den Chiemsee bringen. Tag 3 war aber auch so ein Tag, an dem man eigentlich lieber in den Zug gestiegen wäre. Schon morgens regnete es in Strömen. Die Temperaturen sanken und sanken. Keine guten Voraussetzungen. Nach einiger Zeit abwarten war klar, das wird nicht besser. Also ab durch den Regen Richtung Wolfgangsee.

Trotz wunderschöner Landschaft war es einfach nur eins: sehr nass. Je näher wir Salzburg kamen, desto schlimmer wurde es. Dies war jetzt auch kein warmer Sommerregen mehr, sondern echt kalter Herbstregen. Dazu kam, dass sich der Regen auf den Wirtschaftswegen dann noch mit der herumliegenden Kuhscheiße vermischte, und mir hinter Anton fahrend permanent ins Gesicht spritze. Die Stimmung war am Boden. Aber Aufgeben ist ja irgendwie auch nichts.

In Salzburg wechselten wir unter einer Brücke einmal fast komplett unsere Kleidung und weiter ging es. Als wir bei Freilassing die Grenze zu Deutschland passierten, nahm uns Bayern mit sowas Ähnlichem wie Sonnenschein in Empfang. Trotzdem waren die letzten Kilometer echt zäh und wir heilfroh, als wir wieder zu Hause ankamen.


Tag 1: Graz – Admont, 174 km, 2300 Höhenmeter





Tag 2: Admont – Bad Ischl, 103 km, 1000 Höhenmeter





Tag 3: Bad Ischl – Chiemsee, 118 km, 1050 Höhenmeter