Französische Alpen – gemacht für Rennrad-Träume

2020 ist ein schwieriges Jahr für alle Rennrad-Träume. Unser großes Jahresziel Giro delle Dolimiti in Bozen wurde im April endgültig abgesagt. Da die Urlaubstage aber bereits eingereicht waren, begaben wir uns zwangsweise auf die Suche nach einer radsportlichen Alternative für Juli. Durch die Recherche für unsere „100 legendary road racing climbs“, wurden wir auf sehr viele Pässe in der Region um Briançon in Frankreich aufmerksam. Als relativer Radsportneuling und langjähriger Nicht-Tour-de-France-Gucker, hatte ich von Briançon noch nie in meinem Leben gehört. Bei Galibier und Izoard klingelte zwar ein leises (sehr leises) Glöckchen, aber Erfahrung mit den französischen Alpen bisher zero. Die Region bietet sich aus München jetzt nicht unbedingt an, wenn man in der Hälfte der Zeit auch österreichische Berg-Mekkas und Schweizer Alpen-Träume erreichen kann. Aber irgendwie klang das nett, Rennrad in Frankreich. Nach gutem Essen irgendwie, Menschen in gestreiften Shirts mit Baskenmützen und Lavendel.

Wo übernachten in den französischen Alpen?

Erstes Problem: Wo übernachtet man da, also in den französischen Alpen? Das Angebot auf den einschlägigen Seiten war sehr begrenzt, wenn man einen gewissen Anspruch an Ausstattung und Stil der Unterkunft stellt. Und welcher Ort ist der richtige zum Start diverser Touren? Am Ende fiel die Wahl mehr oder weniger zufällig (eben auf Grund von Stil und Ausstattung) auf Le Monêtier-les-Bains, ein kleiner Ort auf 1500 Metern Höhe kurz hinter Briançon. Diese Wahl entpuppte sich als goldrichtig. Mitten zwischen den Bergen liegt dieses kleine im Sommer sehr verschlafene Örtchen mit seinen grauen Dächern und den in der Region berühmten heißen Quellen (Les grands Bains). Dort schlugen wir nun also unsere Homebase auf.  

Le Monêtier-les-Bains
Le Monêtier-les-Bains

Und dann kam der ganz große Trick. Auf dem Weg zur Unterkunft bemerkte ich ein Schild, das ich mit meinem Schulfranzösisch mühsam entziffern konnte. Am 23.07. Col du Galibier für den Verkehr gesperrt, nur für Radfahrer geöffnet stand da. Für den Verkehr gesperrt? Sofort begann eine intensive Internet-Recherche und siehe da: Frankreich ist eben doch das Land, in dem Milch und Honig fließen, wenn es ums Rennradfahren geht. Denn auf dieser Webseite übersetzte Google mir folgendes:

In diesem Sommer können Liebhaber der kleinen Königin ihren Traum in absoluter Sicherheit am Steuer der Champions verwirklichen: Die Anstiege mythischer Pässe und Resorts sind für den motorisierten Verkehr gesperrt und morgens für Radfahrer reserviert. Freier Zugang, offen für alle, ohne Registrierung, ohne Klassifizierung, ohne Abreise und ohne Ankunft.

Jeden Sommer zahlreiche Pässe für Motorverkehr gesperrt

Das klang wie ein wahrgewordener Traum (solange man ohne Ankunft nicht zu dramatisch interpretierte). Jeden Sommer werden in den französischen Alpen die schönsten und berühmtesten Pässe jeweils einen Tag pro Monat für den Verkehr gesperrt. Ab 9 Uhr morgens heißt es dann Auto- und Motorradfreies Erklimmen eben jener Pässe bis 13 Uhr. Und ausgerechnet in unserer Woche Col du Galibier! Wir konnten es nicht fassen! So wurden schnell ein paar Routen umgelegt und in einen traumhafter, heißer Tag 1 gestartet, mit dem wohl berühmtesten (keinesfalls schönsten) aller Anstiege Alpe d’Huez. Eine detaillierte Routenbeschreibung dazu folgt. Und es wurde jeden Tag besser. An Tag 2 folgte Col d’Izoard, Tag 3 Col du Granon und Tag 4 dann Col du Galibier. Die Woche absolut gemacht für Rennrad-Träume.

Col du Granon
Nur Radfahrer am Col du Granon, von 9-13 Uhr für den Motorverkehr gesperrt.

Ein paar warnende Worte

Eines sollte aber zum Fahren in den französischen Alpen gesagt sein. Die einzigen Straßen, die die großen Berge miteinander verbinden, sind Hauptverkehrsstraßen. Aufgrund der steilen Berge gibt es sehr sehr wenige Seitenstraßen und Schleichwege, auf denen man dem Verkehr entgehen kann. Daher sollte man, um die Tage im Sattel dort zu genießen, etwas schmerzfrei beim Thema Verkehr sein.

Das zweite Thema, das mir einiges an mentaler Stärke abverlangte, waren Tunnel. Eben auch aufgrund der geografischen Gegebenheiten gibt es sehr sehr viele Tunnel OHNE Umfahrungsmöglichkeit für Radfahrer. Das heißt es kann passieren, dass man in einem bescheiden ausgeleuchteten Tunnel von 2km Länge mit maximal schmaler Spur bergab krampfhaft die Brille festhält, die man sich vor Einfahrt noch schnell vom Gesicht reißen konnte. Dann hofft man weder in Teilen von abgefahrenen Spiegeln, die in jedem Tunnel verstreut liegen, hängen zu bleiben, noch von einem Wohnmobil zerquetscht zu werden. Grad der Tunnel nach Alpe d’Huez war nur mit Stoßgebeten und Schutzengeln zu überstehen. Das absolute must-have Accessoire ist in diesem Fall ein sehr gutes (aufgeladenes!) Rücklicht.

Traut man sich den souveränen Umgang mit diesen beiden Faktoren zu und man hat Spaß am Berge fahren, dann steht einem wunderschönen Rennradurlaub in den französischen Alpen nichts mehr im Wege.